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Zwölf Fragen
Zwölf Fragen an die Mitglieder der PhonoKlangGalerie und die Antworten von Rocco Gelati und T.M.Tresch.
 
1.
Wie sieht die Enstehung einer Filmvertonung der PKG aus?

RG: schwer zu sagen. Wir schauen uns Video-Kopie des ausgewählten Films mehrfach an, um ein Gefühl für die Stimmung im Film zu entwickeln. Sobald einer eine musikalische Assoziation hat, lassen wir die zum Film laufen, egal, wie abwegig die zuerst klingen mag. Jeder hat seine eigenen Vorstellungen, was die Stimmung im Film musikalisch betont. Erst aus der Dikussion über die Musik heraus entwickelt sich dann oft ein Konzept, mit dessen Hilfe wir einen musikalischen Handlungsplott erstellen. Wir bauen uns einen Handlungsablaufplan und basteln so lange an den einzelnen Szenen, bis Film und Musik eine Einheit darstellen. Die Auseinandersetzung über Musik ist für mich dabei oft das Interessanteste

TT: Handlungsplott und Handlungsablaufplan sind super Worte.
Ich kann da Herrn Gelati nur zustimmen: Zuerst ganz oft den Film anschauen und strukturieren, beziehungsweise interpretieren – also die Sicht auf den Film klären – was will der Film, was wollen wir daraus machen.
Danach werden lockere Plattenproben gemacht, das heißt: den Film laufen lassen und dazu mögliche Platten auflegen – so entsteht langsam ein Konzept und es kristallisieren sich die Platten, beziehungsweise die Stile heraus, die dem Score die Prägung geben. Außerdem hört bzw. sieht man, wo es unter Umständen interessante Korrespondenzen zwischen den Szenen und der möglichen Musik gibt.
Am Ende folgt der umfangreichste Teil – die genaue Anpassung der Platten, bzw. CDs an die einzelnen Szenen, dabei kann es sein, dass Platten unter Umständen viel früher gestartet werden müssen als sie dann eigentlich erklingen, damit dann die gewünschte Musik zu der richtigen Szene erklingt.
Dann müssen wir uns noch klar machen was realisierbar ist – man kann ja schlecht 5 Platten gleichzeitig auflegen und wir haben ja auch nur eine begrenzte Zahl von Plattenspielern und CD Playern zur Verfügung – schwierig wirds vor allem wenn mehrere Plattenspieler gleichzeitig laufen, und man viel mixen muss und auch noch mit den Effekten beschäftigt ist – da muß vorher genau feststehen welche Platte wann auf welchen Teller kommt.

2. Warum werden die Stummfilme live vertont, anstatt eine fertige Tonspur zu benutzen?

TT: Ich glaube, das interessante ist gerade, dass sich der Stummfilm durch die Live-Vertonung vom Tonfilm abhebt, es ist eine Performance auf zwei Ebenen und es doppelt interessant für den Zuschauer zu sehen wie sich die Musiker mit dem Material auseinandersetzen – bei einer Aufzeichnung des Scores würde diese Teilnahme verloren gehen.

RG: Hinzu kommt, dass man beim Abspielen einer CD beispielsweise immer Gleichlaufschwankungen hätte, so dass bereits nach kurzer Laufzeit die Musik nicht mehr zum Film synchron laufen würde.
Das könnte man lösen, indem man eine Tonspur an die Filmspur koppelt, was sich allerdings nur bei einer rein kommerziellen Lösung lohnt. Wir arbeiten immer mit kürzeren Versatzstücken von verschiedenen Tonträgern, so dass solche Probleme erst gar nicht auftreten.

3. Aus welchem Grund benutzen Sie Plattenspieler, warum keine echten Instrumente?

RG: Das ist wohl eine Frage, was hier mit echten Instrumenten gemeint ist. Einen Plattenspieler kann man ebenso wie ein "echtes" Instrument benutzen, man muß ihn nur beherrsschen können.

TT: Wir sind beide leidenschaftliche Musiksammler, da liegt es auf der Hand sowas mal zu probieren. Herr Gelati hat zwar mit diesem Stummfilmding angefangen und die PKG gegründet, aber ich hatte immer schon viel mit Samplen zu tun und mit Platten und CDs, so dass es nahe lag, dass wir das zusammen machen. Wir hatten ja auch schon auf der Popkomm die Winnetou-Collage zusammen gemacht, die ungefähr nach demselben Prinzip – rein technisch – aufgebaut war.
Gerade die Suche nach den richtigen Platten macht sehr viel Freude, wenn zu einer Szenen einen bestimmten musikalischen Charakter gesucht wird und man stößt dann auf ein bestimmtes Stück was passt, oder passen könnte, dann macht es doppelt Freude – Musik und Film erscheinen dabei unter Umständen in einem neuen Licht.

4. Was interessiert sie am Genre Stummfilm?

TT: Die Möglichkeit gerade den Film immer wieder über die Musik neu zu bewerten, ist eine großer Vorteil. Beim Tonfilm gibt es nach Abschluss der Dreharbeiten etc. ein fertiges Produkt, was in all seinen Facetten ein abgeschlossenes Ding ist. Beim Stummfilm ist es eher ähnlich wie in der klassischen Musik in der immer wieder neu interpretiert wird- es gibt ständig die Möglichkeit einer Neubewertung, der Diskurs zu dem Film bleibt so wesentlich aktueller als beim Tonfilm.
Außerdem liebe ich die großen Gesten.
Und es ist beeindruckend, wie die Großen der Stummfilmära es schaffen mit den reduzierten Mitteln so heftig viel auszudrücken – Emil Jannings und natürlich Chaplin sind darin ganz groß.

RG: Das Medium Stummfilm bietet uns die Position eines modernen Geschichtenerzählers. Er singt, spielt Melodien, mimt Geräusche. Das ist eine sehr wichtige und schöne Rolle und wir haben so die Möglichkeit, das Publikum an einem Teil der uns lieb gewordenen Klangwelt teil zu haben.
Durch die Vertonung von Stummfilmen ergab sich für mich erstmalig die Möglichkeit, die Schönheit eines musikalischen Ausdrucks mit Bildern zu einer Komposition zu verbinden, in der Musik lediglich das narrative Moment darstellt und mit den Bildprojektionen zu einen ästhetischen Erlebnis verschmelzen kann. Die Musik steht dabei nie im Vordergrund sondern stellt lediglich einen Teil des Filmerlebnisses dar, der bestimmte Betonungen setzt.

5. Inwiefern besteht eine Verbindung zwischen Ihrer sonstigen musikalischen Aktivität und dem Arbeiten mit Tonträgern und Film?

RG: Kann ich wenig zu sagen. Es sind eben zwei Formen von Musik, die ich beide schätze.

TT: Ich arbeite in unterschiedlichen Zusammenhängen mit ganz viel fremdmaterial. Sowohl in der Rockmusik als auch in der geschriebenen Musik.
Ich glaube gerade in diesem, also dem letzten Jahrhundert, 20. also, ist Samplen oder Collage einer der wichtigsten Elemente in der Kunst.
In der bildenden Kunst, ist es ja schon viel früher wichtig gewesen. Kurt Schwitters ist auf diesem Gebiet für meine Begriffe genial , später dann solche Leute wie Julian Schnabel oder Martin Kippenberger oder auch die Sachen die Francis Bacon macht.
In der Musik ist das immer ein wenig problematischer und man hat schneller mit Plagiatsvorwürfen zu kämpfen. Obwohl die Arbeit mit Vorlagen bzw. mit Fremdmaterial schon immer wichtig gewesen ist. Man findet das bei Mahler oder Dvorak, später dann viel bei einem Komponisten der Neuen Musik: Bernd Alois Zimmermann zum Beispiel. – grundsätzlich ist ja sowieso schwierig sich von vorgedachtem zu trennen, wenn ich einer Band spiele, muss ich ja auch nicht die E-Gitarre erfunden haben, wir treiben das nur auf die Spitze.
In der Pop Musik ist das dann ganz stark gekommen, also im Hip Hop der 80er. Die haben einen ganz großen Schritt gemacht. Es ist da kaum ungewöhnlich das Sprayen und Samplen eng zusammengehören. Es hat beides mit der Aneignung von fremdem Material zu tun.
Das ist auch so ein Rezeptionsästhetikding, das das Werk auch durch seinen – in diesem Fall- Zuhörer geprägt wird und er den Charakter des Werkes mitbestimmt.
Wenn man eine Musik hört und gut findet (oder auch total scheiße) dann prägt man sie auf eine individuelle Art und Weise, und das kann man gerade bei der Benutzung von Fremdmaterial weitergeben. Text Text Text – das kann ja keiner mehr lesen.

6. Passt schon. Also weiter im Text. Gibts gar eine Botschaft bei der Vertonung von Stummfilmen und wie kommt diese möglicherweise durch Ihre Herangehensweise zum Ausdruck?

RG: Vordergründig würde ich sagen: nein. Wir haben Spaß an der Musik und lieben diese Filme, wenn sie fertig vertont sind. Ich denke, dass wir das schon transportieren. Zudem bietet es mal einen anderen Zugang zum Stummfilmgenre fern ab von der Orcherstervertonung oder einer reinen elektronischen Interpretation

TT: Spontan würd' ich nein sagen – keine Botschaft!
Vielleicht kann man so etwas wie eine Botschaft etwas weiter formulieren, sie liegt mehr in der Vertonung von Stummfilmen allgemein und in der Verwendung von Fremdmaterial. Das hat ein sehr demokratisches Moment – seine eigene Interpretation anzubieten und das noch mittels Verwendung von Fremdmaterial zu tun – wenn Botschaft dann eher in diese Richtung
Ich glaub aber es ist doch eher Quatsch mit der Botschaft

7. Nach welchen Kriterien wählen sie ihre Filme aus?

RG: Zunächst hat die Filmhistorische Bedeutung die ausschlagebende Rolle gespielt. Mittlerweile verschiebt sich das etwas in Richtung persönliche Vorlieben. Verfügbarkeit der Kopie und ein kalkulierbarer Preis natürlich immer vorausgesetzt

TT: Ich würd' sagen das ist ganz unterschiedlich. Zu Beginn warn wir zu dritt – als Ohrenkino, so ‚ne Art Dachverband für die PKG, da hatten wir noch Jürgen Dittrich dabei, ein Spezialist auf dem Gebiet Film. Der hat immer gute Vorschläge gehabt und wir haben letztendlich gemeinsam entschieden. Es ist aber schon vorgekommen, dass Leute, bzw. Kinos bei uns angefragt haben, ob wir nicht diesen oder jenen Film machen wollten und das ist dann unter Umständen realisiert worden.

8. Kann man sagen dass Ihre Technik im Großen und ganzen mit der eines DJs zu vergleichen ist, oder unterscheidet sie sich davon?

RG: sie unterscheidet sich ganz grundlegend davon. Ich denke ich kann sagen, dass wir beide nicht so richtig Ahnung vom – kann man schon sagen klassischen – DJ Handwerk haben, also jetzt im Sinne eines Techno oder Hip Hop DJs. Wir arbeiten mit ganz anderen Mitteln – Effekte, Plattenkratzen, also das bewegen der Platte mit aufliegender Nadel an verschiedenen Stellen (auch in der Mitte auf der Pappe), platten schneller drehen oder ein wenig bremsen, all sowas, das hat wenig mit dem was ein techno oder hip hop dj macht zu tun.

TT: Ja, ich meine, wir arbeiten bei unseren Auftritten auch jeder mit zwei Plattenspielern. Ein Studiomischpult mit der Möglichkeit, verschiedene Effekte einzuschleifen bietet uns da allerdings viel mehr Platz für Experimente. Naja und ich glaube nicht, daß ein DJ sein Set einen Monat lang intensiv vorbereitet. Das bei uns mal eine Platte mal so einfach "durchläuft" kommt eigentlich nie vor.

9. Sehen Sie sich als Musiker?

RG: Naja, eher dann doch als Plattenaufleger. Vor Musikern habe ich größten Respekt. Aber in der Stummfilmvertonung halte ich unseren Weg für eine sehr interessante und sehr vielschichtige Alternative. Die Bandbreite, die wir in der Vertonung bieten verschließt sich einem Musiker schon allein aus rein technischen Gründen.

TT: Hm, ich bin auf alle Fälle sehr viel mit Musik beschäftigt und produziere auch selbst Musik in unterschiedlichen Formen, insofern also ja.
Bei der PKG stehen die musikalischen Fähigkeiten nicht im Vordergrund, sondern viel stärker die Nutzbarmachung von bereits existierendem Material und die sinnvolle Kombination dessen – da kann natürlich auch sagen, das das im Wesen musikalisch ist, mag sei. Aber ich stimme da Dr. Gelati eigentlich zu.

10. Nach welchen Kriterien wird die Musik ausgewählt, spielt dabei nicht auch der persönliche Musikgeschmack eine Rolle?

TT: Sicher, wäre ja auch idiotisch wenn das nicht so wäre.
Wenn man einen Film oder eine bestimmte Szene besonders herrlich findet, dann ist es keine Frage, das dafür eine Musik ausgewählt wird, zu der man ein ähnliches Verhältnis hat, oder in der man ähnliche Elemente findet wie in dieser Szene oder diesem Film.

RG: Find ich auch. Aber wie gesagt, da muß auch viel revidiert werden. Immerhin müssen wir beide damit gut leben können. Daraus ensteht etwas, was für uns beide oft neu ist. TM Tresch hat z.B. einen viel besseren Zugang zur klassischen Musik. Mir liegen jazzige, melodische Flächen näher. Die Symbiose daraus könnte man unseren gemeinsamen neuen Musikgeschmack nennen – mal ganz plakativ gesprochen.

11. Sind sie an ihre spezielle Technik gebunden, oder können sie sich auch vorstellen mit anderen Mitteln Stummfilme zu vertonen?

RG: Ich würde z.B. mal ganz von unserem bisherigen Konzept die Musik in den Vordergrund stellen und danach einen Filmm aussuchen. Z.B. einen Stummfilm, den wir nur mir Rock und Beatmusik aus den 60er jahren vertonen. Interessant wäre es auch, die Musik für einen Stummfim selbst zu produzieren. Aber da wären wir wieder beim Genre der Filmmusiker, die im Zweifelsfall auf Kosten der Stilvielfalt produzieren. Es wäre in jedem Fall mal ein interessantes Experiment.

TT: Vorstellen auf alle Fälle, aber es ist ein gutes Prinzip. Die Beschränkung die wir uns mit der ausschließlichen Verwendung von Platten, CDs und Effektgeräten auferlegen ist durchaus sehr bereichernd, wir entdecken immer noch neue Möglichkeiten wie man das Material mit miteinander und dann mit dem Film in Verbindung bringen kann.
Also es gibt ersteinmal keinen Grund von dieser Art der Vertonung abzurücken. Wir können noch tierisch viel lernen.

12. Wenn Sie drei musikalische Referenzen wählen sollten, welche wären das?

RG: Für die Vertonung ?
Lennie Tristano
Kleptones
Sibelius
Hehe – und jetzt Sie, PA Toppius !

TT: Puh, drei Stück das ist schwierig – es gibt zahllose Größen für mich.
Ich hab letztens versucht, die zehn besten Alben der Popgeschichte aufzulisten und eigentlich sind dann so ungefähr dreißig daraus geworden.

also Musik die für mich wichtig war, hm

Eric Satie
Tom Waits
Beethoven oder doch eher die Sex Pistols, ne the Pogues
ach drei Referenzen, leck mich, das geht nicht …

Wars das?

RG, TT: Ja!